Nach 100 Jahren – zurück zu den Wurzeln der Vereinsgründung – nach Breslau.

Der SV der Züchter der Schlesischen Kropftauben plante im Vorfeld der 100-jährigen Vereinsgründung würdige Höhepunkte. Als Auftakt wurde eine gemeinsame Fahrt nach Breslau – heute Wroclaw durchgeführt. Breslau gilt als die Gründerstadt der Züchtervereinigung und in den Anfangsjahren als Zentrum für Schlesische Kropftauben.

Albert Fechner, aus Guhrau in Schlesien, verfasste einen Aufruf zur Bildung einer Züchtergemeinschaft für  Schlesische Kropftauben. Anlass war einerseits die bereits vorhandenen Vereinigungen für schlesische Steigerkröpfer und Elsterkröpfer  als Vorbildfunktion. Die 3. Schlesische Junggeflügel-Schau, am 20. bis 22. November 1912 in Görlitz, legte den Grundstein für die Veröffentlichung des Aufrufes für eine Gründung. Immerhin beteiligten sich 22 Sondervereine an dieser Schau.

Zitat: “Gelingt es, alle Züchter schlesischer Kropftauben zu vereinen und zu gemeinsamer Arbeit zu begeistern, dann wird und muss ein ungeahnter Aufstieg, eine neue Blütezeit für unsere – Schlesischen Kröpfer – wie wir sie immer nennen wollen – beginnen. Dann wird man überall im deutschen Vaterland von schlesischen Kröpfern sprechen, ihre Eigenart und ihre Vorzüge kennen und sie auf Ausstellungen als edle Rassetauben schätzen”. Dieser Aufruf wurde in der Geflügel-Börse und der Ostdeutschen Geflügelzeitung Ende 1912 veröffentlicht.

Am Sonntag, den 09. März 1913, um Nachmittag 2 Uhr, im Columba -Vereinszimmer in Breslau fand die Gründungsversammlung durch 12 anwesende Herren statt.
1. Vorstand wurde Hugo Mletzko aus Schweidnitz. Von nun an kümmerte man sich um das Wohl und die Verbreitung der schlesischen Kropftauben.
Unmittelbar danach der Beginn des 1.Weltkrieges mit seinen tief greifenden Folgen . Nach dem Neubeginn von 1920 folgte die Inflationszeit das waren die ersten Rückschläge. Damals war es keine Kunst Tiere zu verkaufen, aber eine sehr große, sie zu behalten.

Ab 1929 leitete Dr. phil. Lothar Friese aus Breslau die Vereinigung. Beruflich tätig als Nutzprobenmitglied der landwirtschaftlichen Geflügelzüchter, Landesfachgruppe Schlesien Geflügelgesundheitsdienst. Unter der Leitung des Herrn Bernhard Grzimek Breslau, der später in der BRD den Hamburger Zoo leitete. Friese selbst befasste sich mit roten und gelben Weißplatten.
Albert Fechner, von Beginn an Schriftführer bis 1938, bringt unter den 7. März 1933 einen  allumfassenden Rückblick über die verflossenen 20 Jahre, seit Bestehen. Vorangegangen war eine Betrachtung der einzelnen Arten und im Nachgang wurde ein Foto veröffentlicht von den Teilnehmern an diesem Jubiläum. Treffpunkt war das Gasthaus ” Kellerhaus ” im Breslauer Südpark, deren Betreiber Paul Keller im SV als Kassierer fungierte.

Bereits 1933 veröffentlichte Dr. Friese eine Stellungnahme als Züchter über die Neuorientierung in der schlesischen Geflügelzucht. Denn fortan war der Reichsnährstand die oberste Behörde, die Rassegeflügelzucht gehörte zur Fachschaft 2.

Das 25-zig jährige Jubiläum 1938 war von ungünstigen Vorzeichen begleitet. In der Geflügel-Börse 5/1938 erschien eine Gesamteinschätzung über die Schlesischen Kropftauben von L. Friese und eine Farbbeilage.

Zwischenzeitlich hatten sich die Bezirke Schlesien und Sachsen/Thüringen als Zuchtzentren herangebildet. Es machten sich Neuwahlen erforderlich mit folgender Besetzung:

1.Vorsitzender          Dr. Lothar Friese, Breslau,

Stellvertreter             Oskar Trautmann, Schönheide/Erzgeb.,

Beisitzer                    Ernst Fuhrmeister Breslau und Paul Söllner Dresden.

Der im Anschluss beginnende 2. Weltkrieg brachte alles zum Erliegen und hinterließ überall Trauer, Not und Elend. Der 1. Vors. verstarb an den Folgen einer Darmoperation am 6. September 1942.
Unter den 11.08.1944 erschien der vorerst letzte Bericht über Kropftauben. Nach dem Zusammenbruch des 3.Reiches lag die Kleintierzucht am Boden. Nur wenige Tauben hatten dieses Fiasko überlebt. Doch Oskar Trautmann verschickte an alle noch erreichbaren und verbliebenen Mitglieder am 21. Juni 1947 ein erstes Rundschreiben. Sein Aufruf zum Neubeginn durch Kontaktaufnahme und Tieraustausch, hatte Erfolg. Gleichzeitig war er bis 1949 Stellvertreter und Geschäftsführer des Vereins. Die ersten Berichte verfasste Herbert Hanitzsch aus Machern.
Nach der Bildung der Gruppe West und der SZG im Osten, bedingt durch die Teilung Deutschlands, gab es Neustrukturierung in den Verbänden. Doch die Zuchtfreunde gaben auch hier nicht auf und es galt mit dem verbliebenen Tiermaterial die Zuchtziele zu verwirklichen. Otto Weichelt aus Colmnitz bei Dresden, ein Landwirt, half  Weißplattenzüchtern mit Tiermaterial weiter. Zahlreiche Heimatvertriebene aus Schlesien halfen ebenfalls beim Neuaufbau der Vereinigung, nachdem sie ein neues Zuhause gefunden hatten und Schlesische Kropftauben für diese Menschen ein Stück Heimat waren.
Die 1. Vorstände in der BRD; Hermann Keil Hamburg, Georg Klein Oberode, Heiner Weinhardt Steinbach/OF., Walter Hartung Borken/Hessen und Wilhelm Berger Tübingen. Im Ostteil amtierte Oskar Trautmann Schönheide/Erzgeb., Kurt Tannert Kröstau/Vgtl. und Gerhard Männel Dorfstadt/Vgtl.

Allesamt Züchter von Format und weitsichtige Organisatoren. Verloren hatte man sich nie ganz aus den Augen.  Somit war die Weiterentwicklung des Zuchtstandes fast parallel verlaufen. Höhepunkte und Jubiläen wurden würdig begangen und dabei die Gründer und ihre Vorstellungen nie vergessen.

Die Wendezeit 1989 stellte wiederum hohe Anforderungen an alle Mitglieder. Dabei galt es Bewährtes beizubehalten und neue Gemeinsamkeiten zu entwickeln. So der Grundgedanke des 1. gemeinsamen Treffens am 29. und 30. September 1990 in Hohenleuben, organisiert von Helmut Kerner. Vom 22.-24. März 1991 fand im Kurhaus von Bischofsgrün die Vereinigungsversammlung, unter starker Beteiligung von 200 Teilnehmern, statt. Die Zahl belief sich auf rund 360 Mitglieder. Gebildet hatte sich der SV der Züchter der Schlesischen Kropftauben unter der Führung von Wilhelm Berger, Tübingen. In der Folge galt der Standardangleichung aller 73 anerkannten Farbenschläge, in Einfarbig, Schimmel, Weißplatten und  Schalaster das Hauptaugenmerk. Durch unermüdliches Wirken aller hilfsbereiten Mitglieder wurden weitsichtige Festlegungen getroffen und dabei den Schlesischen Kröpfer nach den Standardauslegungen zu züchten und keine Übertreibungen aufkommen zu lassen. Gezüchtet werden rund 40 Farbenschläge.

Die Gründer der Vereinigung hatten sich Ziele gesteckt um den fluggewandten und zuchtfreudigen Bauernkröpfer zu formen und in seiner Schönheit zu festigen. Betrachtet nach 100 Jahren sind die Grundgedanken heute noch gültig unter Beachtung der zeitgeschichtlichen Entwicklung.

Zum Ausgangspunkt meiner Aufzeichnungen zurück konnten wir Sehenswürdigkeiten des Stadtkerns von Wroclaw besichtigen und im Südpark der Stadt den ehemaligen Standort des Kellerhauses – als damaliges Vereinsheim – besuchen. Wir fanden das Wohnhaus des damaligen 1. Vorsitzenden und ein Reiseteilnehmer konnte das Wohngebäude seiner Großeltern in Augenschein nehmen. Ein Treffen mit polnischen Züchtern gehörte zum Programm und auf der Heimreise konnten wir Schlesische Kropftauben und Starwitzer Flügelsteller betrachten bei Herrn Grzegorz Tu´zniak.

gruppenbild_schlesier

Ein Dankeschön an den Reiseleiter Herrn Andrzej Serwecinski und den Dolmetscher

Herrn Antoni Oruba für ihre Freundlichkeiten.

Gemeinsam betrachtet sind alle Zeichnungsarten und Farbenschläge der  Schlesischen Kropftauben ein großer bunter Blumenstrauß, ein wunderbares Geschenk der Natur,

um deren ständige Betreuung sich jede Mühe und Aufwendung lohnt.

Derzeit zählt der Verein rund 200 Mitglieder und wird umsichtig geführt von Friedrich Günther aus Obersontheim, Telefon 07973/5100, Mail guenther-oso@t-online.de.

 

Mit freundlichem Züchtergruß

Eberhard Roscher EM